Thomas A. Keck


Texte

Beispiele aus drei literarischen Gattungen

Eigentlich ist es egal, was man schreibt - Hauptsache, man schreibt. Meine "Einstiegsdroge" war die Lyrik, und der bin ich bis heute treu geblieben. Im Lauf der Zeit kam aber noch einiges dazu.
Zu den Bildern: Das "November"-Foto zeigt das nebelverhangene Ehrenmal im Zellertal in Rheinland-Pfalz. Die Illustration zu "Helden der Freiheit" stammt von der Kasseler Grafikerin Ulrike Vater. Und das Szenen-Foto aus "Sindbad oder Der Quälgeist" wurde  1993 von Hartmut Schug aufgenommen.

Lyrik

​ November
     
November, deine graue Suppe
schwappt in mein Gemüt.
So langsam ist mir alles schnuppe -
ich weiß doch, was uns blüht:
 Nichts mehr! Die letzten braunen Blätter lassen
sich einfach fallen in den Wind.
Die Regenjacken, falls sie uns noch passen,
verlassen ihren Spind.

Die Feigen buchen schnell noch eine Reise
und hauen in den Süden ab.
Paar Vögel folgen ihnen leise.
Die machen nach der Hälfte schlapp.
Ich hock mich in mein stilles Zimmer
und stell mir meine Heizung an,
auch wenn – es wird ja immer schlimmer –
das kaum noch wer bezahlen kann.

Die letzten Sommerträume sind verweht,
Die Gänse sprechen schnell noch ihr Gebet.
Die Ernte eines ganzen Jahres
Ist eingefahren. Und ihr wahres
Antlitz zeigt die Erde jetzt.
Die Licht-Anbeter sind entsetzt.

Wer düstre Nebel aber liebt,
wem feuchte Kälte etwas gibt,
der gibt sich dir mit Demut hin.
Du weißt, dass ich so einer bin!
November, stilles Glück
Liegt in deinem Trauerblick. 

Prosa

​Helden der Freiheit

Drei schwer bewaffnete Gorillas kaperten ein Flugzeug und for­derten die Freilassung aller Affen aus dem Frankfurter Zoo. Andernfalls werde die Maschine gesprengt! Es kam zu Verhandlungen. Die Regierung wollte zeigen, dass sie nicht erpressbar ist. Man lehnte die Forderung ab! Man erschoss einige Gei­seln! Man nahm die For­derung an! Man ließ die Geiseln frei! Kurze Zeit später kaperten die Kamele ein Flug­zeug. Danach die See­hunde, die Riesenschild­kröten und die Zwergelefanten. Auch die Kängu­rus boxten ihre Forderung durch. Es war stets das gleiche Spiel: Man lehnte die Forde­rung ab! Man er­schoss einige Gei­seln! Man nahm die For­derung an! Man ließ die Geiseln frei! Schließlich merkten sogar die Esel, wie leicht man die Regie­rung erpressen konnte, und so kaperten auch sie eine Ma­schine. Sie er­schossen in leich­ter Verwechslung der Reihenfolge erst die Gei­seln und stellten dann die übliche Forde­rung. Da sich die Regierung weigerte, auch noch von Eseln erpresst zu werden, sprengte man die Maschine. Daraufhin wurde der Frankfurter Zoo endgül­tig aufgelöst.

Theater

Schwester: An­ständige Patienten schnar­chen, röcheln, jam­mern, fallen aus ihren Betten, bekom­men Anfälle und wenn ihre Zeit gekom­men ist, dann ster­ben sie eben. Aber keiner, verstehen Sie mich, keiner erzählt hier unun­terbro­chen ori­entalische Mär­chen. Keiner außer Ihnen, Herr Wat­zel. Ich finde das schon lange nicht mehr ko­misch!

Sindbad: Ich heiß’ aber nicht Watzel, sondern Sindbad!

Schwester: Mund auf, Herr Watzel! (Sie füttert ihn wei­ter.) Ich ver­stehe nicht, wie ein erwachsener Mann sich so be­nehmen kann. Sie haben doch überhaupt keine Selbstach­tung mehr.

Sindbad: Hab ich wohl!

Schwester: Haben Sie nicht! Sie führen sich kindisch auf!

Sindbad: Was ist daran denn kindisch, Schwester? Wozu hab ich denn mein phantastisches Leben geführt und all diese ge­fährlichen Abenteuer erlebt, wenn ich’s hinterher nicht erzählen darf?

Schwester: Das sind Märchen, Herr Watzel, vollkommen langweilige orien­talische Märchen, die Sie auch noch schlecht erzählen! Sie reimen sich hier Ihre konfu­sen Geschichten zusammen, ja, und ich hab die ganze Last!

Sindbad: Allah ist groß, Schwester Trude!
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