Beispiele aus drei literarischen Gattungen
Eigentlich ist es egal, was man schreibt - Hauptsache, man schreibt. Meine "Einstiegsdroge" war die Lyrik, und der bin ich bis heute treu geblieben. Im Lauf der Zeit kam aber noch einiges dazu.
Zu den Bildern: Das "November"-Foto zeigt das nebelverhangene Ehrenmal im Zellertal in Rheinland-Pfalz. Die Illustration zu "Helden der Freiheit" stammt von der Kasseler Grafikerin Ulrike Vater. Und das Szenen-Foto aus "Sindbad oder Der Quälgeist" wurde 1993 von Hartmut Schug aufgenommen.
Lyrik
November
November, deine graue Suppe
schwappt in mein Gemüt.
So langsam ist mir alles schnuppe -
ich weiß doch, was uns blüht:
Nichts mehr! Die letzten braunen Blätter lassen
sich einfach fallen in den Wind.
Die Regenjacken, falls sie uns noch passen,
verlassen ihren Spind.
Die Feigen buchen schnell noch eine Reise
und hauen in den Süden ab.
Paar Vögel folgen ihnen leise.
Die machen nach der Hälfte schlapp.
Ich hock mich in mein stilles Zimmer
und stell mir meine Heizung an,
auch wenn – es wird ja immer schlimmer –
das kaum noch wer bezahlen kann.
Die letzten Sommerträume sind verweht,
Die Gänse sprechen schnell noch ihr Gebet.
Die Ernte eines ganzen Jahres
Ist eingefahren. Und ihr wahres
Antlitz zeigt die Erde jetzt.
Die Licht-Anbeter sind entsetzt.
Wer düstre Nebel aber liebt,
wem feuchte Kälte etwas gibt,
der gibt sich dir mit Demut hin.
Du weißt, dass ich so einer bin!
November, stilles Glück
Liegt in deinem Trauerblick.
Prosa
Helden der Freiheit
Drei schwer bewaffnete Gorillas kaperten ein Flugzeug und forderten die Freilassung aller Affen aus dem Frankfurter Zoo. Andernfalls werde die Maschine gesprengt! Es kam zu Verhandlungen. Die Regierung wollte zeigen, dass sie nicht erpressbar ist. Man lehnte die Forderung ab! Man erschoss einige Geiseln! Man nahm die Forderung an! Man ließ die Geiseln frei! Kurze Zeit später kaperten die Kamele ein Flugzeug. Danach die Seehunde, die Riesenschildkröten und die Zwergelefanten. Auch die Kängurus boxten ihre Forderung durch. Es war stets das gleiche Spiel: Man lehnte die Forderung ab! Man erschoss einige Geiseln! Man nahm die Forderung an! Man ließ die Geiseln frei! Schließlich merkten sogar die Esel, wie leicht man die Regierung erpressen konnte, und so kaperten auch sie eine Maschine. Sie erschossen in leichter Verwechslung der Reihenfolge erst die Geiseln und stellten dann die übliche Forderung. Da sich die Regierung weigerte, auch noch von Eseln erpresst zu werden, sprengte man die Maschine. Daraufhin wurde der Frankfurter Zoo endgültig aufgelöst.
Theater
Schwester: Anständige Patienten schnarchen, röcheln, jammern, fallen aus ihren Betten, bekommen Anfälle und wenn ihre Zeit gekommen ist, dann sterben sie eben. Aber keiner, verstehen Sie mich, keiner erzählt hier ununterbrochen orientalische Märchen. Keiner außer Ihnen, Herr Watzel. Ich finde das schon lange nicht mehr komisch!
Sindbad: Ich heiß’ aber nicht Watzel, sondern Sindbad!
Schwester: Mund auf, Herr Watzel! (Sie füttert ihn weiter.)
Ich verstehe nicht, wie ein erwachsener Mann sich so benehmen kann. Sie haben doch überhaupt keine Selbstachtung mehr.
Sindbad: Hab ich wohl!
Schwester: Haben Sie nicht! Sie führen sich kindisch auf!
Sindbad: Was ist daran denn kindisch, Schwester? Wozu hab ich denn mein phantastisches Leben geführt und all diese gefährlichen Abenteuer erlebt, wenn ich’s hinterher nicht erzählen darf?
Schwester: Das sind Märchen, Herr Watzel, vollkommen langweilige orientalische Märchen, die Sie auch noch schlecht erzählen! Sie reimen sich hier Ihre konfusen Geschichten zusammen, ja, und ich hab die ganze Last!
Sindbad: Allah ist groß, Schwester Trude!